Es sollte wohl so sein, nachdem ich schon am Samstag ob der Temperaturen und einiger körperlich anstrengender Erledigungen wenig Lust verspürte, in Celle anzutreten. Aber der Reihe nach...
Am Samstag stand auf dem Terminplan, Johanns neues Hochbett (massiv, Kiefer) in den vierten Stock zu schleppen. Dass es mich bei den überraschend heißen Temperaturen derart "schlauchen" würde, war mir nicht klar. Egal, getan, erledigt, abgehakt. Noch am selben Nachmittag ging's -- nach einer Stippvisite auf dem TKH-Kinderfest in Kirchrode -- nach Celle, Auto vollgepackt mit Kinderwagen, Rennrad, Gepäck und 4 Personen. In der Packhektik hatte ich vergessen, Flickzeug einzupacken. In Celle bei den Schwiegereltern angekommen, wurde das Vorderrad noch einmal mit dem nötigen Luftdruck beaufschlagt und nach zwei Stunden festgestellt, dass der (schon vor Wochen festgestellte) Druckverlust minimal sei und für ein max. einstündiges Rennen verkraftbar sei (ich hatte spät abends auch keinen Bock mehr auf Reifenflicken).
Alles läuft prima: Fahrt zum Gelände, Unterlagen abholen, einchecken, "Box" einrichten, Schwimmen (zweitschnellster Brustschwimmer nach eigener Beobachtung ), Umziehen (drei Millisekunden schneller als sonst...), Losfahren. Bei Kilometer 8 dann der Schreck: in der Kurve walkt der Vorderreifen. Oje, Druckverlust. Nach den Erfahrungen der letzten Wochen denke ich zum jetzigen Zeitpunkt noch, dass ich damit sicher noch ins Ziel kommen werde... Leider ist bei km 9 schon Ebbe im Schlauch. Zum Glück ist ein Haus in der Nähe, und im Rennfieber kehre ich schnell um, laufe schiebend 300m zurück und frage am Haus nach einer Pumpe. Wie gesagt, ich denke zu jenem Zeitpunkt noch, dass es nur der schon bekannte leichte Luftverlust sei. Der Bewohner hat noch gar nichts vom Rennen mitbekommen, obwohl es direkt vor seinem Haus vorbei geht. Die Pumpe ist zum Glück geeignet für hohe Drücke, nur mehr als 5 bar gehen trotzdem nicht 'rein. Egal, muss reichen, weiter. Ich bitte den Hausherren noch, die Pumpe am Haus liegen zu lassen, damit ich auf dem Rückweg ggf. nochmal nachpumpen kann. Er willigt etwas widerwillig ein. Nach nur 400m ist die Luft allerdings wieder 'raus. Mist. Aufgeben? Niemals! Gitta rast vorbei und fragt noch, was los sei. Egal, die hol' ich schon noch ein... . Zurück zum Haus, Schlauch gewechselt, aufgepumpt, 7 bar, alles OK, insgesamt 16 Minuten Zeitverlust. Macht nix, hole ich beim Laufen wieder 'rein... . Auf der Strecke sehe ich allerdings nur noch "Spaßtriathleten". Ich befürchte schon, dass der Besenwagen auch schon durch sein könnte. Der Wendepunkt ist noch besetzt, und kurz danach kommt mir dann auch der letzte Radfahrer mitsamt "Endmotorrad" entgegen. Hurra! Ich bin noch im Rennen! Weiter geht's!
Dann, bei km 16 fühlt sich das Vorderrad wieder etwas schwammig an. Und tatsächlich, bei km 16,5 ist der Reifen platt! Das gibt's doch nicht! Ein nagelneuer Schlauch! Wie geht'n das? Ich habe aber Glück im Unglück, denn tatsächlich liegt das Haus mit der Luftpumpe vor der Tür nur 300m vor mir. Also wieder schiebend losgetigert, rechts 'ran, aufgepumpt, und weiter. Doch bei km 20 ist der Reifen schon wieder platt. Leider ist weder Haus noch Pumpe in der Nähe. Aufgeben? So'n Quatsch! Ich schleppe mich doch nicht einige Hundert Meter durch's Wasser und 20km auf 'nem Rennrad mit 3 Pannen durch die Landschaft, um dann aufzugeben. Ich erkenne in der Ferne das nächste Streckenposten-Feuerwehrauto. Notfalls lasse ich mir eben den Reifen mit Wasser aufpumpen! Natürlich gibt's dort auch keine Pumpe, aber der Besenwagen müsse ja gleich kommen. Der hat bestimmt 'ne Pumpe. Und so laufe ich weiter, bis ich von einem Sanitäterwagen eingeholt werde. Die fragen, ob alles in Ordnung sei. Ja klar, es macht mir einfach nur Spaß, beim Triathlon das Rad zu schieben statt zu fahren. Nein, im Ernst, die meinten natürlich meine körperliche Verfassung. Ha, was für 'ne Frage, ich bin in Höchstform! Eine Pumpe haben sie allerdings auch nicht, wollen aber versuchen, beim nächsten Streckenposten eine zu organisieren. Dann, etwa bei km 20, überholt mich der letzte Radfahrer und das Endmotorrad bleibt hinter mir. Endlich erreicht mich auch der Besenwagen. Die fragen, ob sie mich einladen sollen, aber ich frage nur nach einer Pumpe, denn einsteigen heißt aufgeben und aufgeben kommt nicht in die Tüte! Die Antwort der Helfer lautet: "Luftpumpe? Nee, hamm wa nich!" Na toll! Aber da hinten käme ja gleich noch eine Tankstelle. Juchhuu! Am "Horizont" erkenne ich dann, dass der Sanitätswagen kurz neben zwei entgegenkommenden Radlern anhält und dann weiterfährt.
Jenes zusammen vielleicht 130 Jahre alte Radler-Päarchen bietet mir dann seine 40cm lange Standardluftpumpe an. Ich nehme an. Die beiden sind sehr hilfsbereit und halten beim Pumpen das Rad und die Ventil-Schutzkappe. Allerdings steigt der Druck im Schlauch nicht. Dafür sinkt der Wettkampfdruck in meinem Kopf ein wenig. Ich bedanke mich und schiebe laufend weiter. Auch der nächste Streckenposten kann nicht helfen und von Tankstelle keine Spur. So langsam sehe ich ein, dass es keinen Sinn mehr hat, weiterzumachen. Ich halte also an und der von hinten langsam herannahende Besenwagen hält an. Ich bin warscheinlich der erste, dessen Rad jemals in jenen Besenwagen geladen wurde, denn auch diagonal passt das Rad nur so gerade eben 'rein und selbst so wird das Rad noch leicht gequetscht. Jetzt hoffe ich, dass ich möglichst schnell ins Stadion komme, um der sicher ungeduldig wartenden Familie die Ungewissheit nehmen zu können, wo ich bleibe. Aber leider ist der Besenwagen eher Schilder- als Radfahrer-Einsammler, und so fahren wir in 300m- bis 800m-Etappen von Kreuzung zu Kreuzung, um in Ruhe die Wegweiserschilder abzunehmen. Ich versuche noch, den Vorgang zu beschleunigen, indem ich fleißig zum Schilder-Einladen die Seitentür aufmache. Es nützt nicht wirklich. Zudem erfahre ich, dass die Strecke auch 29 statt der bisher angenommenen 20km lang ist, so dass meine Idee von vorhin, mich mit einmal Aufpumpen noch ins Ziel retten zu können, sowieso zum Scheitern verurteilt war. Wir trödeln also durch die Vororte, kommen an den Läufern vorbei, ich sehe noch Jürgen und Silke laufen und komme dann endlich ins Stadion. Dort allerdings ist die Überraschung nicht mehr besonders groß, denn der Stadionsprecher -- vorab schon per Handy informiert -- hatte schon durchgesagt, dass "noch so ein Verrückter auf der Strecke sei, der dringend nach einer Luftpumpe suche" und dass er für ihn hoffe, dass er das Hotelzimmer noch einen Tag länger gebucht hätte...
Noch auf dem Platz wurde gleich der Reifen des Vorderrades inspiziert und tatsächlich ein 2-3mm langer Glassplitter in der Lauffläche entdeckt. Immerhin habe ich jetzt eine Erklärung für den Defekt des nagelneuen Schlauches.
Es sollte wohl so sein. Wie hätte es auch ausgesehen, wenn ich trotz mehrerer Pannen doch noch als erster TKH-ler ins Ziel gekommen wäre... Und man muss das Positive hervorheben: Gitta kann nicht mehr alleine für sich beanspruchen, jemals in einem Besenwagen mitgefahren zu sein, die Laufbekleidung muss nicht gewaschen werden und ich bekomme nach dieser Pannenserie eine nagelneue Vorderradbereifung. Außerdem ist klar, dass ich natürlich nächstes Jahr hier wieder antreten muss, und auch, dass ich bis dahin eine neue Geschichte erfinden muss, um das schlechte Triathlon-Training zu kaschieren...
Norbert
P.S.: Ja, es klingt unglaublich, aber es ist wirklich so: Jeder weiß, dass ich fast immer das GPS-Gerät dabei habe, aber am Donnerstag vor dem Wettkampf ist es mir auf den Boden gefallen und seitdem empfängt es nichts mehr. Aus diesem Grund kann ich meine "Rad-Tortour" leider nicht mit GPS-Tracks belegen, was mich selber auch ein wenig ärgert...