Eine Veranstaltung – fünf Meinungen
„Überlebt „- „Der Besenwagen ist auch mal eine Erfahrung“ – „Schöne Veranstaltung - „Ich bin nur gekullert „– „Es hätte schlimmer kommen können“-
Seit Tagen schaute ich stündlich in den Wetterbericht für den 3.10.2009 für Münster. Dort sollte am 3.Oktober der Sparkassen Münsterland Giro stattfinden und Gitta, Gudrun, Klaus, Gerald und ich wollten 110km als Saisonabschluss fahren! Tolle Idee! Warum hatten wir nicht vorher dran gedacht, dass dann das Wetter schon sehr stürmisch, kalt und nass sein kann? Und die Blätter, die dann schon auf der Straße liegen? Mein Gott.
Am Freitag kaufte ich mir noch Überschuhe und eine neue „PROFI“-Weste. Wenn ich nochmal so viel Geld investierte, musste ich womöglich doch starten? Die Shopping Alternative fiel ja aufgrund des Feiertages sowieso aus. Der Wetterbericht versprach mittlerweile aber zumindest trockenes Wetter! Na dann.
Freitagabend erreichten wir nach einer staureichen Fahrt tatsächlich Münster und auch als erste das Hotel. (Die anderen kreiselten diverse Mal drum herum. Es lag in einer beschränkt befahrbaren Zone!) Die Räder kamen mit auf das Zimmer. Im 4.Stock! Nachdem wir die Startunterlagen abgeholt hatten, wurde es immer ernster. Ein paar Nudeln sollten die bei einem „Stadt-Bummel“ auf der Suche nach einem Restaurant verschenkte Energiereserven wieder auffüllen. Nun denn.
Der 3. Oktober startete zunächst nicht ganz so glücklich: Das Frühstück um 7.oo Uhr im Hotel fiel aus. Aufgrund des Feiertages gab es das erst ab 8.00 Uhr. Das war natürlich für uns viel zu spät! Zum Glück wohnten wir in der Nähe des Bahnhofs und konnten dann im selbigen ein kleines Frühstück einnehmen. Lustig daran waren die von der Nacht übrig gebliebenen Gestalten, die da rum liefen.
Und dann standen wir kurz nach neun tatsächlich am Start! Ich versuchte nicht dran zu denken, dass ich 110km Rad fahren s/wollte. Manchmal macht man schon komische Sachen. Warum nur??? Diese Fragen sollte ich mir im Laufe der nächsten 3h13min58sec noch öfter stellen. Das erste Mal ungefähr nach 0,5 gefahrenen Radkilometern. Da lag der erste im Straßengraben!! Alle rasten aber auch wie die Irren los. 40km/h auf dem Tacho war gar nichts. Ach ja, es war ein Rennen! Aber von den ersten Metern an? Es lagen doch noch einige vor uns! Gut. Schon schnell entschied ich, mich zurückfallen zu lassen, um mit Gudrun und Klaus zu fahren, die einen Startblock hinter mir gestartet waren. Gesagt, getan. Ich nahm die Beine hoch, was ein positives Erlebnis zur Folge hatte: Ein Radfahrer fragte doch tatsächlich, ob alles in Ordnung sei! Hej, wie nett. Nach wenigen Augenblicken raste wieder eine große Gruppe an mir vorbei. Huch, da fuhren doch Klaus und Gudrun drin! Auch so schnell unterwegs! Na prima, also sprintete ich hinterher und arbeitete mich langsam an die beiden heran, was in einem großen Feld gar nicht so einfach ist. Und wie sollte ich mich bei den beiden bemerkbar machen, ohne dass sie vor Schreck vom Rad fielen? Schließlich war ich *vor* ihnen gestartet!
So rasten wir dann durch das sicherlich schöne Münsterland, immer den Vordermann (Vorderfrauen gab es nicht so viele, von 1418 Starten man gerade 78!) im Auge. In der Hoffnung, hoffentlich stürzt keiner. Genügend davon haben wir rechts und links liegen sehen und "Vorsicht!"-Rufe gab es auch genug. Gesperrte Straßen sind ja mal ganz schön, aber dadurch stehen auch Verkehrsinseln mitten im Weg!!! Aber die waren zum Glück ausreichend gesichert!!! Mit einem Fahne schwenkenden und pfeifenden Menschen! Aber warum wir kilometerlang komplett auf dem linken Fahrstreifen gefahren sind, obwohl rechts alles frei war und auch keine Windkante das erklärt hätte, erschließt sich mir immer noch nicht. Es hat mich nur verwirrt. Wir so vieles andere.
Nicht verwirrt hat mich allerdings die wirklich super-super-super tolle Stimmung in den Ortschaften!!! Da standen Menschen dicht gedrängt an den Absperrgittern und feuerten einen an, als ob es um den Tour-de-France Sieg ging. Das war schon toll!!! Wirklich!
Dann endlich war dieses ganz riesige Feld, was mich persönlich mental wahnsinnig angestrengt hat, weil man ja nie weiß, was für Idioten neben, vor oder hinter einem fahren, kleiner geworden! Ich muss das leider mal so sagen. Es passiert dann schon mal, dass der Nebenmann völlig grundlos zu einem rüber zieht. Doch wo soll ich hin? Auf mein entrüstetes, spontanes "Hey" musste ich mir dann nur anhören, "Pass doch auf!". Ja, wer muss denn da bitte schön aufpassen? Ich habe meine Linie gehalten, der junge Mann im blauen Trikot hat seine Linie verlassen und wäre dafür beim Tour de France Sprint disqualifiziert worden!! Aber mit Sicherheit! Leider, leider sollte mir dieses blaue Trikot noch des öfteren vor dem Rad rumkreuzen. (Aber er ist nach mir ins Ziel gekommen!!! Das sei nur noch mal erwähnt!!) Man konnte also mal kurzzeitig nahezu entspannt durch die Landschaft rollen!!
Doch dann kam der Wind und die Unfähigkeit anderer Radfahren, GEMEINSAM zu fahren. Gerald sagte hinterher, die wollen gar nicht, dass man mit denen mitfährt. Aber wie doof muss man denn bitte sein, zu denken, man kann 110km alleine fahren!! Mit GEGENSTURM. Klar wollen die alle vor mir ins Ziel kommen. Vor einer Frau!!! Man kann ja nicht langsamer sein als eine Frau!!! Aber man könnte ja vielleicht 107,77km gemeinsam fahren und dann die taktischen Spielchen anfangen. Nein, ich bin also der festen Überzeugung, viele unserer lieben Mitfahrer haben Windschattenfahren einfach nicht begriffen. Sie fahren kilometerlang vorne, werden immer langsamer, anstatt sich nach hinten fallen zu lassen und im Windschatten zu fahren. Sie machen nicht vernünftig deutlich, dass sie aus der Führung rausfahren. Also was wir da nicht alles erlebt haben. Das würde jetzt den Rahmen dieses Berichtes sprengen. Vielleicht sollten alle, die eine gewisse Rennfahrermentalität haben, sich gerne gewissen Gefahren aussetzen und grenzenloses Vertrauen in ihre Mitmenschen haben, selbst mal ein solches Rennen mitfahren. Allerdings ohne mich!!! Es sei denn, es sei denn, der eine oder andere Berg ist dabei!! Dann fahre ich gerne wieder mit, weil ein Berg viel mehr Ruhe in die Meute bringt. Da haben sie nämlich alle Angst vor. Und da muss man alleine hoch!!! Da hilft kein Windschatten.
Nach ca. 60/70 km kam dann der besagte Sturm. Ab dem Moment konnte man nur noch hoffen, in der Gruppe, in der man gerade war, dran bleiben zu können. Ob sie nun gut war oder nicht, egal. Hauptsache nicht alleine gegen diesen Sturm fahren. So einige Gestalten, wahrscheinlich die, die meinen, sie können alleine fahren, haben wir auf den letzten Kilometern überholt, als sie nur noch langsam gegen den Sturm ankämpften.
Irgendwie hoffte ich immer nur, hoffentlich ist das alles bald vorbei. Dann mache ich fünf Kreuze!!!
Ich war am Ende so kaputt, dass ich ca. 5km vor dem Ziel von einer gut rollenden Gruppe abreißen lassen musste, weil es einfach nicht mehr ging. (Gudrun sagte mir hinterher, sie war heilfroh!) Dann fehlten auch noch die Kilometerangaben und man wusste gar nicht, wie weit es denn nun eigentlich noch ist. Na toll! Für einen Endspurt war eh keine Kraft mehr da, aber es wäre trotzdem schön gewesen. Dann hoffte ich auch immer noch auf die von den Orten an der Strecke so vertrauten jubelnden Massen. Aber die waren entweder nicht da, oder ich habe sie einfach nicht mehr mitbekommen.
So rollten wir auf einmal, irgendwann ganz plötzlich und überraschend, über die Ziellinie. Überlebt!!!
Und ich machte sieben Kreuze!!!
Klaus hingegen war so begeistert von der Veranstaltung („schöne Veranstaltung“), dass er mir zum Geburtstag gleich eine weitere Teilnahme beim Münsterland Giro geschenkt hat. Vielen Dank dafür!
Gudrun meinte mit dem Abstand von einem Tag: „Es hätte schlimmer kommen können.“ Womit sie sicher recht hat, aber es war einfach wahnsinnig anstrengend und gefährlich. Wo war der Spaß? Der Spaß kam dann und kommt immer noch beim Erzählen und Erinnern an unsere gemeinsam gefahrenen 110km in Münster. Und das macht es dann doch wieder so richtig nett, dass zumindest Gudrun, Klaus und ich diese Strecke und Anstrengung gemeinsam bewältigt haben. Das macht schon Spaß. Jetzt wissen wir ja, wir haben es überlebt, es hätte schlimmer kommen können und es war eigentlich eine schöne Veranstaltung, bis auf… , aber lassen wir das und können herzhaft über all das erlebte reden und lachen.
Gerald hingegen war fast ein bißchen enttäuscht, dass er sich so wenig anstrengen musste, da er nur in einem riesigen Feld „gekullert" ist. (Sein Leistungsmessgerät sprach allerdings von 900 Watt, die bei Antritten, bestimmt nach Kurven, getreten werden mussten.) Tja. Was soll ich dazu sagen? Jedem das seine. (Mir mehr Berge.)
Und auch Gitta hat in Münster ganz andere, neue Erfahrungen machen können. Durch eine Erkältung geschwächt, hätte sie gar nicht an den Start gehen dürfen. Aber wir kennen alle unsere Gitta. Nur die Harten kommen in den Garten! Oder in diesem Fall in den Besenwagen! Zitat: “Ich muss sagen, das ist auch mal eine interessante Erfahrung im Besenwagen.“ Das sagte sie mit einem sehr zufriedenen Lachen! Und erzählte uns gleich die Geschichte von dem Radfahrer, der, ebenfalls im Besenwagen sitzend, angerufen wurde und auf die Frage, wo er denn sei, nur sagte:“ Ich bin unterwegs.“ Der gesamte Bus grölte! Gelogen hat er ja nicht! Er war unterwegs. Man kann also durchaus seinen Spaß haben im Besenwagen. Das ist doch beruhigend zu wissen. Gut zu wissen wäre auch noch, dass es manchmal lange dauern kann, bis der Besenwagen einen denn einsammelt. Also immer eine Jacke zum Drüberziehen dabei haben, sonst wird es kalt.
So lernt man doch auch immer was für's Leben beim Sparkassen Münsterland Giro!!! Wenn man ihn denn überlebt
Sabine